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Heimträgern ist gesetzlich untersagt, sich von Bewohnern und Bewerbern um einen Heimplatz Geld oder geldwerte Leistungen versprechen zu lassen, die über das Entgelt für die Unterbringung hinausgehen. Aus diesem Grund sind testamentarische Verfügungen zugunsten eines Heimträgers grundsätzlich problematisch – wie auch das folgende Urteil des Oberlandesgerichts München (OLG) aufzeigt.

Die Klägerin, die sich auf die Stellung als gesetzliche Erbin berufen wollte, begehrte bei Gericht die Feststellung, dass sie Alleinerbin der 2014 verstorbenen Erblasserin geworden sei. Diese hatte im Jahr 2010 ein notarielles Testament errichtet, in dem sie eine kirchliche Stiftung zu ihrer Alleinerbin eingesetzt hatte. Ersatzerbe sollte eine Kirchengemeinde sein, die Trägerin des Altenpflegeheims war, in dem sich die Erblasserin seinerzeit aufhielt. Der Erbin wurde zudem die Auflage gemacht, sich um das Grab der Erblasserin zu kümmern, dieses zu pflegen und instand zu halten. Ihren Sohn sowie seine Familie hatte die Erblasserin von der Erbfolge ausgeschlossen.

Das Landgericht Kempten hatte die Klage bereits mit der Begründung abgewiesen, dass die klagende Erbin nicht Trägerin bzw. Beschäftigte im Sinne des Heimgesetzes sei. Insoweit liege auch kein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot vor. Dem hat sich im Ergebnis nun auch das OLG angeschlossen. Unabhängig davon, dass die Alleinerbin nicht Trägerin des Pflegeheims war, liegt nach Ansicht des OLG auch keine Umgehung der Verbotsvorschrift vor. Eine solche Umgehung kann dann unzulässigerweise vorliegen, wenn durch die gewählte rechtliche Gestaltung zwar der Tatbestand des Verbotsgesetzes selbst nicht erfüllt ist, allerdings der von ihm verbotene Erfolg herbeigeführt wird. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn die verbotene Zuwendung zwar nicht an den Träger des Heims selbst, sondern an eine ihm nahestehende oder sonst verbundene Person geht und dadurch eine mittelbare bzw. indirekte Begünstigung erfolgt. Weiterhin erforderlich sei dafür aber, dass sowohl der Zuwendende als auch der Empfänger in Einvernehmen gehandelt haben müssten. Hat aber beispielsweise der Heimträger von einer einseitigen testamentarischen Zuwendung zu seinen Gunsten erst nach dem Tod des Erblassers Kenntnis erlangt, ist die letztwillige Verfügung nicht wegen Verstoßes gegen das Heimgesetz unwirksam.

Hinweis: Im Erbrecht gilt die Besonderheit, dass die Unwirksamkeit einer von mehreren in einem Testament enthaltenen Verfügungen die Wirksamkeit der übrigen Verfügungen grundsätzlich nicht berührt.


Quelle: OLG München, Beschl. v. 06.07.2021 – 33 U 7071/20

Wer sich trennt, muss sich bei der Unterhaltsberechnung unter Umständen auch Sachwerte anrechnen lassen. Das Oberlandesgericht Brandenburg (OLG) musste im Folgenden daher auch die Frage beantworten, ob der Dienstwagen als “Sachbezug” gilt, der das Einkommen erhöht.

Im betreffenden Fall ist der Ehemann als Bauleiter angestellt und hat von seinem Arbeitgeber ein Dienstfahrzeug zur Verfügung gestellt bekommen, das er nur für rein dienstliche Zwecke nutzen darf. Daneben verfügt er über einen privaten Pkw.

Laut OLG ist die enge Nutzungserlaubnis hier der springende Punkt. Denn der Dienstwagen wäre nur dann als Sachbezug zu berücksichtigen, wenn dieser private Kosten einsparen würde. Das ist hier nicht der Fall, weil die Privatnutzung arbeitsvertraglich nicht erlaubt war. Wird der Sachwert (z.B. ein Firmenwagen) gemäß den vertraglichen Regelungen nur geschäftlich genutzt, scheidet eine Erhöhung des unterhaltsrechtlichen Einkommens aus. Allerdings kann eine Berücksichtigung noch indirekt darüber erfolgen, dass ein ansonsten anfallender beruflich bedingter Aufwand entfällt. Wenn der Dienstwagen für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte unentgeltlich genutzt wird, kann man nicht zusätzlich noch berufsbedingte Kosten geltend machen. Hier hatte der Ehemann zwar behauptet, er nutze für diese Wege nicht den Dienstwagen, sondern seinen Privatwagen, aber dem OLG fiel in den Steuerunterlagen auf, dass er dort die Wegekosten nicht abgesetzt hatte. Dies deute als Indiz darauf hin, dass er den Dienstwagen auch für Fahrten zwischen Wohn- und Firmensitz benutzt habe. Im Ergebnis wurde ihm daher nicht der Dienstwagen als Sachbezug nach der sogenannten 1-%-Methode als Einkommen zugerechnet, aber dadurch könne er auch keine Kilometerkosten beim Unterhalt geltend machen.

Hinweis: Da er noch andere beruflich bedingte Aufwendungen hatte, konnte er aber noch die 5-%-Pauschale dafür abziehen, die die Unterhaltsleitlinien mancher Oberlandesgerichte dafür vorsehen.


Quelle: OLG Brandenburg, Beschl. v. 30.08.2021 – 9 UF 239/20

Für Plichtteilsberechtigte besteht nur schwerlich die Möglichkeit, Berichtigungen oder Ergänzungen eines notariellen Nachlassverzeichnisses einzufordern. Dass “schwerlich” jedoch nicht “unmöglich” bedeutet, zeigt das Urteil des Oberlandesgerichts Brandenburg (OLG) im folgenden Fall.

Der 2016 verstorbene Witwer hinterließ als Erblasser drei Kinder, von denen aufgrund einer letztwilligen Verfügung von Todes wegen zwei Kinder zu Schlusserben eingesetzt waren. Eine Tochter wurde letztlich von der Erbfolge ausgeschlossen. Diese plichtteilsberechtigte Tochter verlangte von den Erben ein notarielles Nachlassverzeichnis und die Vorlage eines Bewertungsgutachtens. Im Streitfall ging es um die Frage, ob das Nachlassverzeichnis unvollständig sei und entsprechende Korrekturen bzw. Ergänzungen vorgenommen werden müssen. Sie bemängelte insbesondere unvollständige Ermittlungen der beauftragten Notarin zu Umfang und Wert des Nachlasses. Dies betreffe zum einen, dass die Notarin fälschlicherweise davon ausgegangen sei, sie habe die Eigentumsverhältnisse an den vorgefundenen Gegenständen nicht klären dürfen. Zum anderen habe sie sich darüber hinaus bei dem streitgegenständlichen Grundstück auf Angaben der Erben verlassen und das außergerichtlich vorgelegte Wertgutachten nicht überprüft. Im Rahmen der Ermittlungstätigkeiten der Notarin hätten auch weitere Bankinstitute bzw. die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht angefragt werden müssen.

Das OLG war im Ergebnis der Auffassung, dass der Pflichtteilsberechtigten noch Ansprüche auf Ergänzung der bereits erteilten notariellen Auskünfte zustehen. Liegt ein notarielles Nachlassverzeichnis vor, kann der Pflichtteilsberechtigte grundsätzlich nicht dessen Berichtigung oder Ergänzung verlangen. Ausnahmsweise besteht ein solcher Anspruch aber dann, wenn beispielsweise in dem Verzeichnis eine unbestimmte Mehrheit von Nachlassgegenständen (z.B. aufgrund eines Rechtsirrtums des Auskunftspflichtigen) nicht aufgeführt ist. Anerkannt ist ferner ein solcher Anspruch, wenn Angaben über den fiktiven Nachlass oder Schenkungen fehlen oder aber sich der Verpflichtete trotz einer Möglichkeit hierzu entsprechende Informationen nicht verschafft hat. Der Notar darf sich hierbei nicht nur auf die Wiedergabe der Bekundungen des Erben beschränken.

Aus den vorgenannten Gründen war das erstellte Nachlassverzeichnis ergänzungsbedürftig. Hinsichtlich der Ermittlung des Kontobestands wäre es zumutbar und notwendig, bei weiteren vor Ort ansässigen Geldinstituten Erkundigungen einzuholen. Auch hätte es bezüglich des Grundbuchbestands Anlass gegeben, Erkundigungen über pflichtteilsrelevante Übertragungen innerhalb des Zehnjahreszeitraums durchzuführen.

Hinweis: Grundsätzlich gilt: Besteht Grund zur Annahme, dass das Verzeichnis nicht mit der erforderlichen Sorgfalt aufgestellt worden ist, hat der Auskunftsverpflichtete auf Verlangen an Eides statt zu versichern, dass er nach bestem Wissen den Bestand so vollständig angegeben habe, wie er dazu imstande ist.


Quelle: OLG Brandenburg, Urt. v. 14.09.2021 – 3 U 136/20

Wer nahe Angehörige zu Lebzeiten intensiv pflegt, darf auch Geschenke erhalten, die letztendlich auch das Erbe desjenigen schmälern, dem dieses Geschenk sonst zugekommen wäre. Was gerecht klingt, musste im folgenden Fall jedoch erst vom Landgericht Koblenz (LG) als Recht gesprochen werden.

In dem zum entschiedenen Fall hatte ein Ehepaar im Jahr 1996 ein Testament errichtet, in dem es sich zunächst wechselseitig zu Alleinerben und die drei gemeinsamen Kinder zu Schlusserben eingesetzt hat. Darüber hinaus war verfügt, dass ein Sohn ein Grundstück als Erbe erhalten sollte. Nach dem Tode des Ehemanns schenkte die überlebende Erblasserin ihren Miteigentumsanteil an dem Grundstück, das eigentlich testamentarisch für den Sohn vorgesehen war, ihrer Tochter. Darüber hinaus wurde ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht für das Grundstück im Grundbuch eingetragen. Nach dem Tod der Mutter stritten die Geschwister folglich über die Rechtmäßigkeit dieser Schenkung. Der Bruder forderte von seiner Schwester die Übertragung des Grundstücks an ihn sowie die Bewilligung der Löschung des Wohnrechts.

Das LG hat die Klage des Bruders allerdings abgewiesen. Denn ein Anspruch bestehe laut Gericht nur dann, wenn die Mutter als Erblasserin die Schenkung ausschließlich zur Beeinträchtigung des Erbes des Sohns vorgenommen hätte, es sich somit um eine missbräuchliche Verfügung gehandelt hätte. Hiervon könne nicht ausgegangen werden, da die Erblasserin im Eigeninteresse gehandelt hatte. Nach erfolgter Beweisaufnahme ist das Gericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Tochter sowohl vor der Übertragung als auch im Gegenzug für die Schenkung Pflegeleistungen in erheblichem Umfang erbracht habe.

Hinweis: Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.


Quelle: LG Koblenz, Urt. v. 18.11.2021 – 1 O 222/18

Verjährte Ansprüche können in der Regel nicht mehr erfolgreich durchgesetzt werden. Mit der Problematik der Verjährung mussten sich auch die Parteien in einem Rechtsstreit vor dem Oberlandesgericht München (OLG) auseinandersetzen.

Die im Jahr 2014 verstorbene Erblasserin hinterließ mehrere Töchter sowie ein Testament, in dem sie eine Tochter sowie eine Enkelin zu Alleinerben eingesetzt hatte. Die nicht bedachten Töchter führten zunächst über mehrere Jahre einen Rechtsstreit vor dem Nachlassgericht im Rahmen der Erteilung eines Erbscheins. Im November 2016 entschied das Nachlassgericht, dass die testamentarische Verfügung der Erblasserin wirksam war, und erteilte einen entsprechenden Erbschein. Letztlich rechtskräftig wurde diese Entscheidung im Jahr 2019.

In einem Folgeprozess im September 2020 machten die nicht bedachten Töchter Auskunftsansprüche gegenüber den Erben zur Ermittlung von Pflichtteilsansprüchen und Pflichtteilsergänzungsansprüchen geltend. Bei den Pflichtteilergänzungsansprüchen ging es insbesondere um mögliche ausgleichspflichtige Schenkungen zu Lebzeiten der Erblasserin. Die Erben beriefen sich darauf, dass entsprechende Auskunftsansprüche verjährt seien, was das OLG zumindest teilweise bestätigt hat. Zu unterscheiden war zwischen Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüchen. Grundsätzlich gilt auch für Ansprüche aus der Erbschaft, dass diese nach drei Jahren verjähren. Die Frist beginnt mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Pflichtteilsberechtigte Kenntnis vom Erbfall, von der ihn beeinträchtigenden letztwilligen Verfügung und von der Person des Erben erlangt hat oder zumindest hätte erlangen können.

Bezüglich der Pflichtteilsansprüche stellt das OLG auf den Beschluss des Nachlassgerichts im November 2016 ab. Die drei Voraussetzungen – insbesondere die Kenntnis von der beeinträchtigenden letztwilligen Verfügung – hatten die Töchter damit bereits im November 2016 mit der Entscheidung des Nachlassgerichts. Entsprechende Ansprüche verjährten damit mit Ablauf des 31.12.2019, also vor Klageerhebung. Nicht verjährt waren hingegen die Pflichtteilsergänzungsansprüche. Die Parteien stritten um die Frage von ausgleichspflichtigen Schenkungen durch die Erblasserin, wobei zum Zeitpunkt der Klageerhebung die Erben nicht eingewandt haben, dass die Töchter Kenntnis von den Schenkungen gehabt hätten. Insoweit bejahte das Gericht den Auskunftsanspruch der Pflichtteilsberechtigten.

Hinweis: Die Verjährung muss als sogenannte Einrede ausdrücklich geltend gemacht werden. Sie wird nicht zwangsläufig im Rahmen eines Rechtsstreits von einem Gericht berücksichtigt.


Quelle: OLG München, Urt. v. 22.11.2021 – 33 U 2768/21

Wie sehr sich elterliche Vorstellungen über die Belastbarkeit der eigenen Kinder von deren eigenen Vorstellungen unterscheiden, zeigt der folgende Fall, der final beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) landete. Denn während Vater und Mutter sich über den Umfang des Umgangs uneins waren, hatte das betreffende Kind bereits ganz klare Vorstellungen zum getrennten Familienleben.

Es ging um ein siebenjähriges Mädchen, das als Zweijährige nach der Trennung der Eltern beim Vater auf dessen Bauernhof wohnen blieb, während die Mutter weiter weg zog. Anfangs hatte die Mutter alle 14 Tage Umgang an einem kurzen Wochenende. Schließlich zog die die Mutter wieder in die Nähe des Vaters und wünschte sich ein paritätisches Wechselmodell. Zunächst bekam sie einen erweiterten Umgang; 14-tägig freitags bis dienstags, schließlich bis mittwochs. Der Vater meinte, dies würde ausreichen, und betonte, dass es für das Kind wichtig sei, einen Lebensmittelpunkt zu haben.

Das mit der Sache zuerst befasste Amtsgericht stellte jedoch fest, dass der im Laufe des Verfahrens ausgedehnte Umgang nicht zu einer Überforderung des Kindes geführt habe. Es sei mit beiden Familiensystemen (Stiefeltern, Stiefgeschwister, Großeltern) vertraut und komme damit zurecht. Die abstrakte Forderung des Kindesvaters nach einem Lebensmittelpunkt reiche nicht aus, um ein Wechselmodell in Frage zu stellen. Der Verfahrensbeistand unterstützte die Mutter: Das Wechselmodell erhöhe die Erziehungskontinuität zu beiden Eltern. Es führe bei dem Kind zu mehr emotionaler Stabilität und Sicherheit, bei beiden Eltern leben zu dürfen, und gewährleiste eine gedeihliche Identitätsentwicklung. Auch das Jugendamt hatte sich für ein Wechselmodell ausgesprochen, weil die gute Bindung zu beiden Elternteilen hierdurch gleichermaßen gepflegt und gefördert werden könne.

Auch für das OLG war das Wechselmodell die dem Wohl des Kindes am besten entsprechende Umgangsregelung. Keine Voraussetzung für die Anordnung eines paritätischen Wechselmodells ist nämlich, dass sich die Kindeseltern über die Wahl dieses Betreuungsmodells einig sind.

Hier gab es zu beiden Eltern eine sichere Bindung und bei der Mutter auch schon erlebten Alltag. Das Mädchen habe begeistert von ihrem Leben in beiden Haushalten und den jeweiligen Urlauben mit beiden Elternfamilien berichtet. Hierbei kamen keinerlei Präferenzen für das Leben in dem einen oder dem anderen Haushalt zum Ausdruck. Sie vermisse jeweils den Elternteil, bei dem sie sich gerade nicht aufhalte. Wenn für das Kind nach seinen Bekundungen beide Elternteile gleichermaßen von Bedeutung sind, dann ist es nur folgerichtig, wenn diese Bindung an beide Elternteile mit einer paritätischen Betreuung gestärkt und aufrechterhalten wird. Die organisatorischen Schwierigkeiten seien überschaubar und nicht viel höher als beim jetzigen Modell. Nach Ansicht des OLG überwiegen die Vorteile des Wechselmodells. Die Auffassung des Kindesvaters, das Kind benötige einen Lebensmittelpunkt, werde nicht durch human- oder sozialwissenschaftliche Forschungsergebnisse abstrakt gestützt. Positiv war die Feststellung, dass beim Kind kein Loyalitätskonflikt erkannt werden konnte. Die erforderliche grundlegende Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Kindeseltern war vorhanden.

Hinweis: In der Praxis sind es zumeist die Väter, die statt eines Wochenend- oder erweiterten Umgangs ein Wechselmodell einklagen. Dabei scheitert das Wechselmodell in der Regel an der Hochkonflikthaftigkeit der Eltern und dem darauf beruhenden Loyalitätskonflikt der Kinder, ohne dass es darauf ankommt, wer den Konflikt verursacht.


Quelle: OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 26.10.2021 – 6 UF 14/21

Grenzüberschreitende Sachverhalte werden immer häufiger. Der Unterhalt kann dann nicht einfach so berechnet werden, als würde der Fall komplett in Deutschland spielen. Beim Oberlandesgericht Brandenburg (OLG) ging es um Trennungsunterhalt für eine in Deutschland lebende Frau, die ihren mitterweile in Norwegen lebenden Ehemann nach dem Lugano-Abkommen vor einem deutschen Gericht und nach deutschem Recht verklagen konnte.

Der Ehemann hatte nach der Trennung Deutschland verlassen. Er lebt und arbeitet seitdem in Norwegen und macht deshalb erheblich höhere Lebenshaltungs-, insbesondere Wohnkosten geltend. Die Kaufkraft sei schließlich in Norwegen nachweislich kleiner. Mit der in den Unterhaltsleitlinien vorgesehenen Warmmiete von 480 EUR könne er dort keine Wohnung bezahlen, so dass sein Selbstbehalt entsprechend zu erhöhen sei.

Das OLG hat daraufhin aus der Eurostat-Statistik die Lebenshaltungskosten ermittelt, danach das Einkommen beider Gatten ins Verhältnis gesetzt und dann hälftig verteilt. Der Wohnkostenanteil im Selbstbehalt musste damit nicht noch zusätzlich berücksichtigt werden.

Hinweis: Spielt der grenzüberschreitende Fall in Europa – aber nicht in Norwegen, Island oder der Schweiz -, ist die Zuständigkeit nach der Europäischen Unterhaltsverordnung zu beurteilen.


Quelle: OLG Brandenburg, Beschl. v. 13.09.2021 – 13 UF 89/18

Die Verfahrenskostenhilfe (VKH) ist ein staatliches Instrument, das die Durchsetzung des eigenen Rechts auch Menschen mit geringen bzw. keinen Geldmitteln ermöglichen soll. Dass dieses Ass jedoch nicht aus dem Ärmel gezogen werden sollte, bevor mildere Mittel als der offizielle Klageweg probiert worden sind, zeigt der folgende Fall des Oberlandesgerichts Brandenburg (OLG).

Eine Kinderärztin hatte die Frühförderung eines Kindes empfohlen, aber der Vater hatte nicht zugestimmt. Darauf beantragte die Mutter beim Familiengericht, dies allein entscheiden zu dürfen. Weil sie sich keinen Anwalt leisten konnte, beantragte sie dafür VKH. Das in der Sache zuständige Amtsgericht (AG) wollte zunächst wissen, ob es eine gemeinsame Beratung der Eltern beim Jugendamt gegeben habe, was verneint wurde. Im weiteren Verlauf stimmte der Vater außergerichtlich der Frühförderung zu und erklärte, er sei nie dagegen gewesen, sondern habe sich nicht gut informiert gefühlt. Das Verfahren war somit zwar erledigt, aber die Kosten des Anwalts der Mutter waren jedoch noch offen. Diese Kosten bekam die Mutter auch nicht von der Staatskasse – nicht nach dem AG und nicht nach dem OLG.

Es ist letztendlich auch laut OLG mutwillig gewesen, sofort zu klagen, statt zuerst kostenfreie Angebote – beispielsweise durch das Jugendamt – zu nutzen, wie es auch Selbstzahler getan hätten. Erst wenn außergerichtliche Bemühungen fehlgeschlagen oder erkennbar aussichtslos sind oder gar eine besondere Dringlichkeit besteht, ist die VKH grundsätzlich zu gewähren.

Hinweis: In vielen Städten hat das Jugendamt die Elternberatung an freie Träger delegiert. Sie müssen regional klären, welche Voraussetzungen an den vergeblichen Einigungsversuch geknüpft werden, und dazu auch dem Gericht etwas vortragen. Das betrifft alle Kindschaftssachen wie das Sorge- und Umgangsrecht.


Quelle: OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.11.2021 – 13 WF 189/21

Ein Testamentsvollstrecker kann aus seinem Amt nur entlassen werden, wenn ein wichtiger Grund hierfür vorliegt. Das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) hat sich in einer Entscheidung aus Oktober 2021 nochmals mit den Voraussetzungen auseinandergesetzt, unter denen ein Testamentsvollstrecker wegen Pflichtverletzung aus seinem Amt entlassen werden kann.

Der Erblasser hinterließ mehrere Erben in einer ungeteilten Erbengemeinschaft und ordnete zudem eine Testamentsvollstreckung an. Eine Miterbin, die dem Testamentsvollstrecker pflichtwidriges Verhalten wegen angeblich rechtswidriger Zahlungen an andere Miterben vorwarf, beantragte die Entlassung aus dem Amt. Nachdem das Nachlassgericht diesem Antrag zunächst stattgegeben hatte, hob das OLG die Entscheidung auf.

Eine Entlassung aus dem Amt des Testamentsvollstreckers käme nur dann in Betracht, wenn die zur Last gelegte Pflichtverletzung dazu geeignet sei, die berechtigten Belange des antragstellenden Miterben – insbesondere seine Vermögensinteressen – zu beeinträchtigen. Die Pflichtverletzung muss darüber hinaus schuldhaft begangen worden und von erheblichem Gewicht sein. Dies kann nur angenommen werden, wenn es sich um eine grobe Verfehlung des Testamentsvollstreckers handelt, die vergleichbar ist mit einer Untätigkeit. Schließlich muss eine Interessenabwägung zwischen den Interessen des Erblassers an der Fortführung der Testamentsvollstreckung und dem Interesse der Erben vorgenommen werden. Nur wenn dem Antragsteller eine Fortsetzung im Amt des Testamentsvollstreckers nicht mehr zugemutet werden kann, kommt eine Entlassung durch das Nachlassgericht in Betracht. Nach Ansicht des OLG lagen bereits im Tatsächlichen keine der genannten Voraussetzungen im konkreten Fall vor.

Hinweis: Das Recht der Erben, einen Testamentsvollstrecker zu entlassen, kann durch den Erblasser im Rahmen seiner Verfügung von Todes wegen nicht wirksam eingeschränkt werden.


Quelle: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 07.10.2021 – 3 Wx 59/21

Eltern müssen ihrem Kind Unterhalt zahlen, bis es seine erste berufliche Ausbildung abgeschlossen hat. Doch dieses Recht der Kinder geht gleichsam mit deren Pflicht einher, den Bogen bei ihren Bemühungen und dem zeitlichen Rahmen nicht zu überspannen. Das Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern (LSG) musste im Folgenden darüber bestimmen, ob ein Kind seine Eltern auf Unterstützung verklagen muss, wenn es seinerseits einsichtig ist, dass Vater und Mutter ihm in dieser Angelegenheit nichts mehr schulden.

Im Zeitraum von acht Jahren hatte ein Mann ingesamt fünf Ausbildungen bzw. Studiengänge begonnen und wieder abgebrochen. Dessen Eltern hatten ihm bis zum 25. Geburtstag noch das Kindergeld weitergeleitet und danach nichts mehr an ihn gezahlt. Für die 2012 begonnene sechste Ausbildung beantragte der Sohn, der inzwischen verheiratet war, nun elternunabhängige Berufsausbildungshilfe (BAB), ein mit BAföG vergleichbares System. Er begründete den Antrag damit, dass seine Eltern nicht mehr unterhaltspflichtig seien, da er die jeweiligen Ausbildungen übermäßig verzögert und damit die Verpflichtung zu Zielstrebigkeit, Fleiß und Sparsamkeit verletzt habe. Demnach habe er seine Eltern auch nicht verklagen müssen, um die fehlende Unterhaltspflicht nachzuweisen.

Das LSG sah es wie der Sohn: Bei einer solchen Sachlage sind Eltern nicht mehr unterhaltspflichtig. Und wenn der Unterhaltsanspruch des Auszubildenden nach objektivem Recht offensichtlich ausgeschlossen ist, muss er auch kein Gerichtsverfahren gegen seine Eltern führen.

Hinweis: Verzögerungen der Ausbildungszeit, die auf ein vorübergehendes leichteres Versagen des Kindes zurückzuführen sind, müssen Eltern hinnehmen. Verletzt das Kind aber nachhaltig seine Obliegenheit, die Ausbildung planvoll und zielstrebig aufzunehmen und durchzuführen, büßt es seinen Unterhaltsanspruch ein und muss sich darauf verweisen lassen, seinen Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen. Eine Unterhaltspflicht kommt umso weniger in Betracht, je älter der Auszubildende ist, je eigenständiger er seine Lebensverhältnisse gestaltet und je weniger eine Kommunikation über seine Ausbildungspläne erfolgt.


Quelle: LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 08.10.2021 – L 2 AL 49/14